Johann Böschenstein – Ain new gedicht, durch Johann Böschenstain

GOt ewig ist, on endes frist,
sein wesen on zerissen,
Vnd doch Dabey, was gott selb sey,
das mag kain mensche wissen:
Got darff kain zeyt, alls ander leut,
kain stat noch auch kain stunde,
zu seiner stim kain munde;
Zu seinem gon, Auch zu seim ston
darff er kain süß, als ich hon müß,
er ist auch gar langsame
vnnd doch nit treg, dabey alweg
zichtig, keüsch, on all schame.

Got on anfang, er ist nit lang,
nit kurtz, groß oder klaine,
Nit da noch dört, vnnd auch nit hört,
als auff erd seind die staine;
Nit ler noch vol, nit ala ain wol
lind oder weyß gestalte,
auch weder jung noch alte,
Nit diß noch das, nit mer noch baß,
nit spat noch frü, noch ferr noch hie,
vnd ist doch überale,
ich bin bericht, das in irr nicht
kain perg noch auch kain tale.

Got ist nit schnel, auch nit sinwel,
vnd doch behend on eilen,
Got ist on zwanck, nit starck nit kranck;
richt sich auff vnderweilen,
Vnd hat kain haupt, als mancher glabt;
gott ist sich gar dick naigen
auch vast nider erzaygen,
Vnd hat kain knie, ich waiß nit wie
wandert der her, nit nach noch verr,
jn mag niemand bezwingen,
nit fleß nit saur, durch stain vnd maur
ist sein gewalt auß dringen.

Got ist nit blaw, nit grien noch graw;
vnglück in nit betriebet,
Nit laut noch still, wenig noch vil,
on müde er sich übet:
Wie zaig ich in menschlichem sin?
niemand mag in erkennen,
sein namen auch nit nennen;
Vnd auch dabey aller taylung frey,
nitt zwen noch drey, noch was er sey,
das mag kain zung außsprechen:
wer pricht sein gebot, sag ich on spot,
an dem wirt sich got rechen!

Noch ist berait götlich driualttigkait,
vnd ist doch nun ain wesen.
Hie laß ichs ston, nit weytter zu gon,
also hab ich geleßen:
Es wer vmb sunst, das ich mitkunst
solich sach wölt auß grinden,
das kain mensch ye mocht finden;
Kain weyß noch gstalt ward nie gemalt,
wie got der her gestaltet wer,
kain farb mag ihn auß weysen;
kain holtz noch stain, noch laim noch bain,
gold, silber, noch kain eyßen.

Got vngenant, auch vnbekant
allen geschöpften iste:
Sollt mein verstan got dar vmb lan?
das wer ain arger liste;
Ich wer auch tab, dann rechter gelab
sagt von macht, weyßhayt, güte
vnd wie vns gott behüte,
Auch seiner milt niemandt engilt:
gieng ich das irr, was solte mir
mein speher list zu prauchen?
darumb all die vns irrent hie,
müßent in kunsten strauchen.

Got klarer schein, hie laß ichs sein,
dein gothayt vnberüret:
Ker mein begir allain zu dir,
als künig dauid probieret.
Der spricht vns zu, das ware ru
alain in got werd funden
nach diesem ellend zu stunden;
Er zayget, das der recht weg was,
das wir on schuld, in der geduldt,
vnser sel hie besitzen:
was hilfft, das sunst wir on die kunst
vnser vernunfft ser spitzen?

Her got, ich pit, verlaß mich nit,
laß mich dein diener bleyben!
Allain in dich bin hoffen ich,
dein hilff von mir nit scheide!
Dan kain trost ist, wa dein hilff nit ist,
in himel vnnd auff erden
kain mensch salig mag werden.
On dein gnad wirt kaines rath:
so send vnns trat dein hilff vnd rat
vnd laß vns nit verderben,
in disem tal leid wir groß qual
mitt krieg vnd großem sterben.

Quelle: Quelle in der Glaubensstimme

Böschenstein, Johann – Da Jesus an des Kreuzes Stamm

1. Da Jesus an des Kreuzes Stamm
Der ganzen Welt Sünd‘ auf sich nahm,
Sprach er in seinen Schmerzen
Noch sieben Wort‘, die lasset uns
Erwägen wohl im Herzen.

2. Zum ersten: Vater, strafe nicht
An ihnen, was mir jetzt geschicht,
Weil sie es nicht verstehen.
Vergib uns, Gott, wenn wir auch noch
Aus Irrtum was begehen!

3. Zum andern er des Schächers dacht‘:
Fürwahr du wirst noch vor der Nacht
In meinem Reich heut‘ leben.
O Herr, nimm uns auch bald zu dir,
Die wir im Elend schweben.

4. Zum dritten: Deinen Sohn sieh, Weib!
Johannes, ihr zu Dienste bleib
Und sie als Mutter liebe!
Versorg, Herr, die wir lassen hier,
Daß niemand sie betrübe!

5. Zum vierten sagte er: Mich dürst’t!
O Jesu, großer Lebensfürst,
Du hast Durst und Verlangen
Nach unsrer Seligkeit; drum hilf,
Daß wir sie auch empfangen.

6. Zum fünften: O mein Gott, mein Gott,
Wie läßt du mich so in der Not?
Hier wirst du, Herr, verlassen,
Daß uns Gott wieder dort aufnehm‘.
Den Trost laß uns wohl fassen.

7. Zum sechsten: Hiermit ist vollbracht
Und alles nunmehr gutgemacht.
Gib, daß wir auch durchdringen,
Und was du, Herr, uns auferlegt,
Hilf seliglich vollbringen.

8. Zum siebenten: Ich meine Seel‘,
O Gott, mein Vater, dir befehl‘
Zu deinen treuen Händen.
Dies Wort sei unser letzter Wunsch,
Wenn wir das Leben enden.

9. Wer oft an diese Wort‘ gedenkt,
Wenn seine Missetat ihn kränkt,
Der wird es wohl genießen;
Denn er durch Gottes Gnad‘ erlangt
Ein ruhiges Gewissen.

10. Verleih und dies, Herr Jesu Christ,
Der du für uns gestorben bist!
Gib, daß wir deine Wunden,
Dein Leiden, Marter, Kreuz, und Tod
Betrachten alle Stunden!

Böschenstein, Johann – Passionslied

Nach einem alten bei Friedrich Gutknecht in Nürnberg ohne Jahr erschienen Druck unter dem Titel „Ein geistlich Lied von den siben Worten, die der Herr an dem Creutze sprach. Ein ander Lied von einem Apffel und von dem leiden Christi. In dem roten Zwinger thon“

Da Jesus an dem Kreuze stund 1)
Und ihm sein Leichnam was verwund’t
So gar mit großem Schmerzebn,
Die sieben Wort, die der Herre sprach,
Betracht‘ in deinem Herzen.

Zum Ersten sprach er gar süßiglich
Zu seinem Vater vom Himmelreich
Mit Kräften und mit Sinnen:
Vergieb ihn’n, Vater! sie wissen nicht,
Was sie an mir verbringen.

Zum Andern gedenk seiner Barmherzigkeit,
Die Gott an den Schächer hat geleit,2)
Sprach Gott gar gnädigleiche:
Fürwahr, du wirst heut‘ bey mir seyn
In meines Vaters Reiche.

Zum Dritten gedenk seiner großen Noth,
Laß dir die Wort‘ nicht seyn ein’n Spott:
Weib, schau dein’n Sohn gar eben!
Johannes, nimm deiner Mutter wahr,
Du sollt ihr’r gar eben pflegen.

Nun merket, was das viert‘ Wort was:
Mich dürst’t so hart ohn Unterlaß,
Schrey Gott mit lauter Stimme.
Das menschleich‘ Heil thät‘ er begehr’n;
Seiner Nagel ward er empfinden.

Zum Fünften gedenk seiner Barmherzigkeit,
Die Gott am heiligen Kreuz ausschrey:
Mein Gott, wie hast du mich verlassen!
Das Elend, das ich leiden muß,
Das ist ganz über die Maßen.

Das sechst‘ was gar ein kräftigs Wort,
Das mancher Sünder auch erhört
Aus seinem göttlichen Munde:
Es ist vollgracht mein Leiden groß
Wol hie zu dieser Stunde.

Zum Siebenten befehl ich mich, Vater, in deine Händ‘!
Den heiligen Geist du zu mir send‘
An meinen letzten Zeiten,
Wenn sich mein‘ Seel‘ von mir will scheiden,
Und mag nicht länger beiten.3)

Wer Gottes Marter in Ehren hat
Und oft gedenkt der sieben Wrot,
Des will Gott eben pflegen
Wol hie auf Erd‘ mit seiner Gnad‘,
Und dort im ewigen Leben.

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1) In dem Original steht: hieng
2) gelegt, erzeigt
3) warten, bleiben

Rambach – Anthologie christlicher Gesänge aus der neueren Zeit